Ohne Brot und ohne Perspektive

Europa droht eine neue Flüchtlingswelle. Algerien mit 40 Millionen Einwohnern steht vor dem Bürgerkrieg und der Re-Islamisierung. Eine Million Algerier sind algerisch-französische Doppelstaatsbürger mit Einreiserecht in die EU. Wenn die vom Westen gestützte, korrupte Marionettenregierung fällt, verliert Europa nicht nur seinen zweitwichtigsten Gaslieferanten, es entsteht auch ein salafistisches Regime gegenüber der europäischen Mittelmeerküste.  

Der Westen hat den gewaltsamen Sturz von Saddam Hussein und Gaddafi herbeigeführt. Seitdem sind der Irak und die gesamte Sahelzone – also, der riesige Steppengürtel südlich der Sahara von Somalia bis zum Senegal – in Aufruhr. Saddam Hussein und Gaddafi ist gewiss nicht nachzutrauern. Aber beide waren Feinde der radikalen Islamisten. Gaddafi hatte der EU schon 2011 prophezeit: „Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, wird sich folgendes ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten.“

Der Westen betreibt auch seit Jahren den Umsturz des syrischen Assad-Regimes. Es besteht kein Zweifel: Auch Baschar al-Assad ist ein Despot. Aber seine Feinde im Land sind keine „Demokraten“. Es sind radikale Islamisten und IS-Anhänger, die aus Syrien ein „Islamisches Emirat“ machen wollen. Ihre Ideologie stammt aus Saudi-Arabien, der geistigen Wiege des islamistischen Terrors, der Europa mit Anschlägen überzieht. Die Saudis werden vom Westen massiv aufgerüstet und hofiert. Während Assad die Sicherheit der Christen im Land garantiert, werden in Saudi-Arabien – dem wichtigsten westlichen Verbündeten – Menschen hingerichtet, weil sie eine Bibel besitzen.

Der Zweck der Umstürze – an denen die USA (und die Europäer als Mitläufer) intensiv beteiligt waren – ist das Verhindern der Achse „Iran-Irak-Syrien-Libanon“. Allein die libanesische Hisbollah ist so stark, dass sie 2006 sogar die israelische Armee zurückschlagen konnte.

Nun droht ein weiteres Land zu kippen: Algerien. Dort ist eine neue Generation herangewachsen – ohne Brot und ohne Perspektive. Seit Tagen gibt es Massenproteste gegen die korrupte, vom Westen gestützte Regierung. Der 82-jährige Staatschef sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl und ist „nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte“. Er gilt als Marionette. Sollte es in Algerien mit seinen 40 Millionen Einwohnern zum islamistischen Aufstand kommen, hat die EU ein salafistisches Regime gegenüber der europäischen Mittelmeerküste und verliert den zweitwichtigsten Gaslieferanten. Zur Erinnerung: 1991 hatte die „Islamische Heilsfront“ (FIS) die Wahlen in Algerien mit klarem Vorsprung gewonnen. Der damalige Militärputsch gegen die Wahlsiegerin hatte einen zehnjährigen Bürgerkrieg mit mehr als 200.000 Toten zur Folge. Sollte sich das wiederholen, wird es eine neue Flüchtlingswelle nach Europa geben. Eine Million Algerier sind algerisch-französische Doppelstaatsbürger. Sie haben von vornherein das Aufenthaltsrecht. Andere könnten mit Erfolg Asyl beantragen, sofern sie direkt über das Mittelmeer in die EU einreisen. Die USA wären vom Chaos – wie so oft – nicht betroffen.

Europas Außenpolitik ist weder klug noch stark. In dem Sinn ist wohl Peter Scholl-Latour zu verstehen, wenn er sagt: „Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlandes“.

Artikel Krone Bunt