Erbschleicher

Die Zahl der Erbschleichereien steigt rasant an! Immer mehr Testamente werden unter fragwürdigen Umständen erstellt – immer mehr Angehörige um ihr Erbe geprellt. Alte Menschen werden zu lukrativen Opfern. Das ist die Folge hoher Lebenserwartung:  Der Staat muss handeln!

Wir werden immer älter. Die Spitzenmedizin lässt unsere Lebenserwartung enorm steigen. Aber niemand spricht von der dunklen Kehrseite: Mit der Verlängerung unseres Lebens verlängert sich auch die Phase unserer Schutzlosigkeit. Der Körper bleibt robust, aber der geistige Verfall schreitet unaufhaltsam voran. Die WHO rechnet deshalb damit, dass die Zahl der Demenzkranken bis 2030 um 40% steigen wird!

Immer mehr Hilfsbedürftige werden zu lukrativen Opfern für Erbschleicher. Denn noch nie wurde so viel vererbt. Es geht beispielsweise um Pfleger, Haushaltshilfen oder „nette Bekannte“, die einen alten Menschen dazu bringen, sein Testament zu ändern.

Ich erlebe in meiner Rechtsanwaltskanzlei ein sprunghaftes Ansteigen dieser Fälle! Die Täter bringen alte Menschen mit Druck, List und Lüge dazu, sie als Alleinerben einzusetzen. Sie nützen die Verstandesschwäche, Beeinflussbarkeit und herabgesetzte Willensbildung ihrer Opfer eiskalt aus. Immer mehr Testamente werden unter zweifelhaften Umständen erstellt. Immer mehr Angehörige werden um ihr Erbe gebracht – ihnen bleibt oft nicht mehr, als ein Fotoalbum.

Das Vorgehen ist typisch: Die Täter isolieren ihre Opfer. Anrufer werden abgewimmelt und Besucher nicht vorgelassen. Der Täter wird zur einzigen Bezugsperson. Das Opfer wird abhängig, erpressbar und gefügig. Denn es hat Angst, seine einzige Bezugsperson – den Täter – zu verlieren. Das Opfer ist bereit, „zu bezahlen“.

Was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt hat, ist später schwer zu rekonstruieren. Und da liegt das Problem: Nicht die Täter, sondern die Angehörigen müssen vor Gericht beweisen, dass das Testament ungültig ist. Dazu braucht man Zeugen, Sachverständige und jede Menge medizinischer Unterlagen – in solchen Fährnissen bewege ich mich als Erbrechtsanwalt nahezu täglich. 

Wie gesagt: Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem! Fast jeder von uns wird früher oder später in dieser Situation sein. „Die Welt lässt die Menschen mit Demenz im Stich“, sagt die WHO. Die Politik muss handeln! Wir brauchen eine Justizreform: Testierverbote, Beweislastumkehr und verschärfte Strafbestimmungen!

Der beste Schutz ist aber die Vorsorge: Man sollte sich noch vor Eintritt demenzieller Entwicklungen ausführlich beraten lassen. Soweit im Einzelfall tunlich, sollte man seine Angelegenheiten möglichst fix regeln – damit Erbschleicher keine Chance haben.

Eine Klientin sagte unlängst zu mir: „Ich danke Ihnen dafür, dass sie für meinen verstorbenen Vater zeitlebens alles geregelt haben. Als er hilflos wurde, ging ich vorsorglich zu seinen Betreuern und sagte: Sie brauchen erst gar nicht auf dumme Ideen zu kommen. Mein Vater hat alles bindend verfügt. Es gibt nichts zu holen“.