Die Sprachpolizisten

Ein skurriler Fall von Sprachpolizei wurde jetzt aus Amsterdam bekannt. Im berühmten Rijksmuseum soll eine Arbeitsgruppe die Titel und Beschriftungen aller 1,1 Millionen Bilder und sonstigen Kunstwerke auf deren politische Korrektheit hin überprüfen. Was nicht dem Zeitgeist der selbsternannten Tugendwächter entspricht, soll durch Umbenennung sprichwörtlich „ausradiert“ werden.

Das Rijksmuseum ist mit Recht international bekannt. Bedeutende Gemälde der großen europäischen Maler-Genies sind dort ausgestellt. Etwa Rembrandts „Nachtwache“, Vermeers „Der Liebesbrief“ oder Steens Öl-Gemälde „Nikolausfest“ und „Arent Oostwaard und seine Frau“.

Doch was bislang Zeugnis europäischer Geschichte und Titelfreiheit großer Künstler war, wird nun einer gnadenlosen Zensur durch die Sprachpolizei unterzogen. Eine Arbeitsgruppe soll alle Titel und Beschriftungen der 1,1 Millionen Kunstwerke des Nationalmuseums auf ihre politische Korrektheit hin überprüfen. Die selbsternannten Tugendwächter sind auch auf der Jagd nach „Unwörtern“, worunter in ihren Augen sogar die Begriffe Eskimo und Indianer fallen.

Schon bald also könnte – zur Beseitigung von Weihnachts-Rassismus und zwecks Sichtbarmachen aller Geschlechter – Jan Steens weltberühmtes Gemälde „Nikolausfest“ in „Zipfelmützen*InnenX-Fest“ umgetitelt werden (* und X stehen dabei für alle, die sich in den Kategorien „Mann“ und Frau“ nicht wohlfühlen). Das Bild „Arent Oostwaard und seine Frau“ würde am Ende gar verbrämt zu „A. Oostwaard und die eigenständige Person mit Menstruations-Hintergrund“. Das Gemälde „Der Eskimo“ hat das Rijksmuseum bereits umgetitelt in „Der Inuk“ (auch wenn man sich fast sicher sein muss, dass das Aufsichtspersonal des Museums auf Nachfrage eines unwissenden Besuchers hin erklärt, dass dies Eskimo heißt). Und der Sprachpolizei zufolge wird der von Generationen in Karl-May-Büchern und -Filmen verehrte edle Indianer-Häuptling Winnetou kurzer Hand umbenannt in „Vorsitzender der Angehörigen eines indigenen Volkes“.

Die Beschriftung eines Gemäldes aus der Kolonialzeit mit „Wir gingen nach Surinam, um Plantagen zu errichten“ haben die Sprachpolizisten bereits geändert auf „Wir brauchten Sklaven, die uns auf den Plantagen zu Reichtum verhelfen mussten“.

Folgerichtig müsste Rembrandts „Nachtwache“ aus dem Jahr 1642, das zwei Offiziere, 18 Schützen der Amsterdamer Bürgerwehr, 16 weitere Personen und in der Mitte ein hübsches Mädchen zeigt, dem Besucher künftig vorgestellt werden als „klischeehaftes Macho-Gruppenbild, mit dem eine namenlose Frau durch ihre Abhängigkeit von den Männern herabgesetzt wird“. Auch das im Museum befindliche Bild „Der Liebesbrief“ von Jan Vermeer – es zeigt eine Magd, die der Hausherrin den Liebesbrief zustellt – könnte in den Köpfen von Besuchern ein falsches Rollenbild erzeugen und die sexuelle Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen untergraben. Vielleicht gibt es künftig den Hinweis, wonach „der Liebesbrief an die Hausherrin auch von einer Frau verfasst worden sein könnte und Magd kein typischer Frauenberuf ist. Es gibt auch Knechte“.

Man sollte niemanden herabsetzen, beleidigen oder kränken wollen. Begriffe unterliegen dem Wandel der Zeit. Aber der Übereifer der niederländischen Sprachpolizisten erinnert an eine Analyse Siegmund Freuds zum Thema „Tabu“: Der meinte sinngemäß und umgemünzt auf heute, dass sehr viele der politisch-korrekten Empörten ihre eigenen verdrängten feindseligen Gefühle auf denjenigen richten, der das Verbotene ausspricht.