Erbschleicherei Teil 2

Die Zahl der Demenzkranken steigt rasant an. Der 4. Corona-Lockdown verstärkt die soziale Isolation hilfsbedürftiger Menschen. „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der Opfer eines Erbschleichers wurde“.

Noch nie gab es so viel zu vererben. Noch nie wurden wir so alt. Und noch nie gab es so viele Demenzkranke oder Menschen, die ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen können. Hinzu kommt Corona: Jeder Lockdown verstärkt die soziale Isolation.

Das sind ideale Bedingungen für Erbschleicher. Die Rede ist etwa von Betreuern, Haushaltshilfen oder „Bekannten“, die einen alten Menschen dazu bringen, sein Testament in letzter Sekunde zu ändern. Die Masche ist immer dieselbe: Die Täter erschleichen sich das Vertrauen. Sie isolieren das Opfer und hetzten gegen nahe Angehörige. Jede Lüge kommt ihnen gelegen. Die Dreistigkeit ist ungemein. Die Täter spielen sich als Sprachrohr des Opfers auf und wirken plötzlich bei allen Entscheidungen mit. Sie werden zur Hauptbezugsperson. Ist das Opfer isoliert und abhängig, dann üben die Täter Druck aus, damit das Opfer das Testament ändert und ihnen das gesamte Vermögen überträgt. 

Das sind keine Einzelfälle! Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen! Laut WHO wird die Zahl der Demenzkranken in den nächsten Jahren um 40% steigen! Die Österreicher vererben jährlich ein Vermögen von 15-20 Milliarden Euro. Um das geflügelte Wort eines Ex-Kanzlers in der Corona-Pandemie zu verwenden: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der Opfer eines Erbschleichers wurde“.

Wie gesagt: Ich erlebe als Erbrechtsanwalt ein sprunghaftes Ansteigen dieser Fälle in meiner Rechtsanwaltskanzlei!

Das Problem ist, dass unsere Gesetze nicht auf der Höhe der Zeit sind. Denn nicht die Täter, sondern die geprellten Erben müssen vor Gericht beweisen, dass Erbschleicherei im Spiel war. Das ist im Nachhinein äußerst schwierig. Betroffene sollten daher frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Sie sollten den geistigen Zustand des Verstorbenen dokumentieren, Beweise sammeln, präsent sein und die Isolierung des Opfers verhindern.

Vor allem aber brauchen wir eine Justiz-Reform: Der Täter soll in Zukunft beweisen müssen, dass das Testament frei von List, Zwang oder Irrtum zustande gekommen ist. Schafft er das nicht, kommen die gesetzlichen Erben zum Zug.

Aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: Unsere Lebenserwartung steigt. Das führt automatisch zu einer langen Phase der Hilfsbedürftigkeit und geistigem Verfall. Jeder von uns sollte rechtzeitig Vorkehrungen treffen und seine Vermögensnachfolge möglichst fix regeln – damit Erbschleicher keine Chance haben.

Vorsorge ist der beste Schutz! Ich habe es schon einmal geschrieben. Eine Klientin brachte es mir gegenüber wirklich treffend auf den Punkt: „Ich danke Ihnen dafür, dass sie für meinen verstorbenen Vater zeitlebens alles geregelt haben. Als er hilflos wurde, ging ich vorsorglich zu seinen Betreuern und sagte: Sie brauchen erst gar nicht auf dumme Ideen zu kommen. Mein Vater hat alles bindend verfügt. Es gibt bei ihm nichts zu holen“.