Heimliche Enteignungen

Es häufen sich Schlagzeilen, wonach Testamente der Bürger wegen absurd strenger Formvorschriften ungültig sind. Unsere Regierung sieht dennoch keinen Änderungsbedarf! Kein Wunder: Wenn Testamente ungültig sind und Erben fehlen, fällt das Vermögen an den Staat.   

Seit 1.1.2017 existieren in Österreich teilweise überstrenge Formvorschriften für Testamente. Nichtjuristen ist es in mancher Hinsicht fast unmöglich,gewollte Erben gültig einzusetzen. In jüngster Zeit häufen sich Urteile und Schlagzeilen, wonach Testamente wegen überstrenger Formvorschriften ungültig sind.

Das hat eine ungeheure Tragweite! Ist das Testament ungültig und fehlen gesetzliche Erben, fällt das Vermögen entschädigungslos an den Staat. Kleine Fehler haben unumkehrbare Folgen: Wird die Form nicht eingehalten, ist das Testament ungültig, auch wenn der Wille des Verstorbenen klar erkennbar ist. Hier ein paar Beispiele:

  • Wer sein Testament am Computer verfasst, muss es nicht nur ausdrucken und unterschreiben. Man muss auch händisch Zusätze hinzufügen, wie „Mein Wille“, „Das will ich“ oder dergleichen. Testamentszeugen müssen ihrer Unterschrift eigenhändig Zusätze hinzufügen, wie „als Zeuge der letztwilligen Verfügung“. Tut man das nicht, ist das Testament ungültig, auch wenn auf dem Papier deutlich das Wort „Testament“ steht.
  • Mündliche Testamente sind abgeschafft. Es gibt nur ein drei Monate gültiges Nottestament (etwa bei Todesgefahr). Wer meint, seinen Letzten Willen den Familienmitgliedern bereits mitgeteilt zu haben und nichts mehr schreiben zu müssen, irrt gewaltig.
  • Ein Testament, das aus mehreren Blättern besteht, soll fest verbunden werden.
  • Testamentszeugen müssen ihrer Unterschrift händisch Zusätze hinzufügen, wie „als Zeuge der letztwilligen Verfügung“. Tun sie das nicht, ist das Testament ungültig.

Im aktuellen Regierungsprogramm ist nicht vorgesehen, diese teilweise überzogenen Formvorschriften abzuschaffen. Das verstört: Denn Gesetze müssen so gebaut sein, dass sie jeder leicht einhalten kann. Es kann nicht sein, dass juristisch nicht versierte Bürger wegen überzogener Formvorschriften ernsthaft Gefahr laufen, haufenweise ungültige Testamente zu produzieren. Das läuft im Ergebnis auf heimliche Enteignungen hinaus. Man sollte daher sein Testament überprüfen lassen und allenfalls neu errichten.

Fehlentwicklungen müssen korrigiert werden. Dazu ist der Gesetzgeber da. Natürlich müssen Testamente fälschungssicher bleiben und Missbräuche verhindert werden. Aber die Fehlerquote ist einfach zu hoch. Das erlebe ich selbst oft in meiner Rechtsanwaltskanzlei, wenn ich beauftragt werde, Testamente zu überprüfen oder anzufechten.

Dabei wäre die Lösung für den Gesetzgeber denkbar einfach: Überall dort, wo der wahre Wille des Verstorbenen klar erkennbar ist, hat er Gültigkeit, auch wenn es einen Formfehler gibt! „Wille schlägt Form“, könnte man zusammenfassen.

Auf unsere Justizministerin wartet viel Arbeit. Nach unserem derzeit geltenden Erbrecht wäre sogar das „Neue Testament“ der Bibel ungültig.